Nov
21
2014

Teil 3: 1956 bis 1959 – Lastwagenfahrer wird König

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Für den talentierten Beau aus Mississippi erfüllte sich innerhalb weniger Jahre der viel zitierte amerikanische Traum. Vom Trittbrett seines Lastwagens gelang ihm der Sprung auf die großen Musikbühnen und vor die Filmkameras. Er wurde diskutiert, umschwärmt, gefeiert. Keiner kam mehr an ihm vorbei. Keine wollte an ihm vorbei.

Text: Helmut Radermacher

 

Am 10. und 11. Januar 1956 war es soweit: Chet Atkins, der große Produzent, Gitarrenvirtuose und Vorbild für Scotty Moore, leitete die erste Elvis-Session, die fünf Lieder hervorbrachte – „I Got A Woman“, ein Ray-Charles-Song, machte den Anfang. Doch es waren auch zwei erstklassige Songs dabei: „Heartbreak Hotel“ und die B-Seite „I Was The One“. Der Name Presley war von heute auf morgen so groß, dass sogar die Fernsehsender Schlange standen. Den ersten Zuschlag bekam der Macher Jackie Gleason mit der „Jimmy und Tommy Dorsey Stage Show“. Bis hier hatte Elvis die üblichen Gagen erhalten, pro Show (für die ersten vier Shows) 1.250 Dollar, für zwei weitere Shows bekam er schon je 1.500 Dollar.

Ende Januar trat er dann in jener Sendung auf, wo ihn ganz Amerika sehen konnte. Die Politik, die Kirchen, eigentlich alle waren gegen ihn, aber verpassen durfte man ihn nicht, und so kam es zu rekordverdächtigen Einschaltquoten. Schon stand der nächste TV-Mogul in den Startlöchern: Milton Berle sendete am 3. April 1956 von einem Flugzeugträger. Zu diesem Zeitpunkt stand „Heartbreak Hotel“ auf Platz 2 in USA.

Zweite Reihe in Las Vegas

Kurz danach gab es für Elvis einen kleinen Rückschlag: Sein Manager hatte ihn im Mai für Las Vegas verpflichtet, dort, wo die Erwachsenen in den Casinos spielten und nichts vom Hillbilly aus dem Süden wissen wollten. Elvis sang im neueröffneten Casino „New Frontier“, ohne Werbung, abgesehen von einem Aufsteller vor dem Hotel. Die Arbeit war zwar nicht übermäßig anstrengend – 14 Tage mit 28 Shows von je 12 Minuten – aber Elvis spielte neben dem Freddy Martin Orchester und dem Komiker Shecky Green eine untergeordnete Rolle. Er war damals wohl noch nicht reif für Las Vegas.

Am 5. Juni 1956 gab es die nächste Milton Berle Show, diesmal aus den NBC-Studios in Los Angeles. Elvis sang dort ein Lied, das er in Las Vegas von Freddie Bell & His Bellboys in einer neuen Version gehört hatte und das bereits ein schwarzer Hit für Willie Mae „Big Mama“ Thornton gewesen war: „Hound Dog“. Die Machart von Freddie gefiel ihm so gut, dass er den Song in sein Repertoire aufnahm, es sogar schon bei Milton Berle sang, bevor er es überhaupt im Studio aufgenommen hatte. Am Tag nach der Show war die Nachfrage enorm, sodass Elvis sich alsbald ins Studio begeben musste.

Vorher sang er noch in der TV-Show von Steve Allen: Er musste im Frack auftreten und bei „Hound Dog“ einen Hund ansingen. Die erste LP mit dem einfachen Namen „Elvis Presley“ erklomm die Spitze der Charts. Nie zuvor hatte RCA so viele Platten pressen müssen. Und die zweite LP – diesmal reichte der Name „Elvis“ – war schon in Arbeit und sollte noch erfolgreicher werden. Trotz vieler Konkurrenten bekam Elvis von der Presse den Titel „King of Rock’n’Roll“ verpasst.

03_8044-9183IPlötzlich heiß umschwärmter Filmstar

Nun geschah alles wie im Zeitraffer: Mit „Hound Dog“ / „Don’t Be Cruel“ erschien die erfolgreichste Single der kompletten 50er Jahre, Elvis drehte in Hollywood mit „Love Me Tender“ seinen ersten von 31 Filmen, und plötzlich klopfte sogar Ed Sullivan, der König der TV-Shows, an die Tür. Elvis befand sich gerade bei Filmarbeiten in Los Angeles, konnte also nicht nach New York reisen und wurde deswegen live zugeschaltet. Er sang beide Stücke seiner Nummer-Eins-Single: zuerst „Don’t Be Cruel“, als Letztes „Hound Dog“ und dazwischen die Ballade „Love Me Tender“, die zwar schon aufgenommen, aber noch nicht erschienen war. Prompt wollten eine Million Teenager diese Platte vorbestellen. Als Drittes stimmte er seine fetzige Rock’n’Roll-Version von „Ready Teddy“ an, die Amerika erbeben ließ, und schließlich „Hound Dog“.

Ende des Jahres, am 4. Dezember 1956, kam Elvis nach einem privaten Besuch in Las Vegas zurück nach Memphis. Er besuchte spontan das Sun-Studio, wo gerade zufällig Carl Perkins neue Aufnahmen produzierte. Sam Phillips hatte für die Session einen neuen Künstler als zusätzlichen Pianisten engagiert, sein Name war Jerry Lee Lewis. Er sollte den Rockabilly-Sound mit seinem Klavier auffüllen. So ergab sich die wohl bekannteste private Session aller Zeiten. Sam benachrichtigte noch Johnny Cash, der zumindest auf einem Foto zu sehen ist, vielleicht auch mitgesungen hat, aber vermutlich nicht aufgezeichnet wurde. Ob nun Trio oder Quartett, der Journalist machte daraus die richtige Schlagzeile. „Würden diese vier zusammen auftreten, sie wäre eine Million Dollar wert – das MILLION DOLLAR QUARTET“. Zumindest drückte Jack Clement die Aufnahmetaste, das Zeitdokument war fertig. Alle, besonders Elvis, sangen ihre Lieblingslieder, viel Country, viel Gospel, am wenigsten ihre eigenen Hits. Legendär.

Obwohl, abgesehen vom Todesjahr, das erfolgreichste Elvis-Jahr vorbei war, ging es 1957 im selben Tempo und fast auch mit demselben Erfolg weiter. „Loving You“ hieß der nächste Film, die Platte dazu kam natürlich auch wieder auf Rang 1, wobei die Käufer einen anderen Song aus dem Film favorisierten: „Teddy Bear“. Die LP „Loving You“ blieb zehn Wochen ganz oben in den Hitparaden. Dazu kam eine LP mit dem Namen „Elvis‘ Christmas Album“, und auch die erreichte die Spitze und blieb dort für vier Wochen. Was sollte Elvis eigentlich jetzt noch verkehrt machen?

Die Elvis-Euphorie erreicht Europa

Selbst in Europa vermeldete das Elvis-Fieber neue Rekorde. Die Single „All Shook Up“ brachte Elvis in England erstmals eine Nummer 1, blieb sieben Wochen an der Spitze und hielt sich 30 Wochen in den Charts, auch für Elvis ein britischer Rekord. Und schon stand der nächste Film an: „Jailhouse Rock“ hieß das Drama, gewürzt mit der richtigen Prise Rock’n’Roll. Die Single dazu war bereits Elvis‘ 25. Eintrag in die US-Pop-Charts, auch sie schaffte Platz 1 für sieben Wochen.

Live war Elvis in dem Jahr nicht mehr so viel unterwegs, die Filmarbeiten gingen vor. Dann klopfte plötzlich die Armee an und verlangte, Elvis möge wie alle Amerikaner zwei Jahre dienen. Seine Produzenten und die Firma Paramount baten um Aufschub, weil sie gerade mitten im Dreh für den vierten Elvis-Film „King Creole“ waren. Elvis sollte nicht, wie es oft bei Sängern der Fall war, als Truppenbetreuer dienen, vielmehr sollte ihn die Welt als gewöhnlichen Soldaten erleben. Der singende Soldat ging an freien Tagen mit Uniform ins Studio B in Nashville, damit die beiden kommenden Wehrpflicht-Jahre mit seiner Musik überbrückt werden konnten.

So waren genügend Platten in Reserve, dass RCA bis zum März 1960, als Elvis nach dem Wehrdienst zurück in die USA kam, regelmäßig neue Singles und LPs veröffentlichen konnte. Zuerst gab es „Wear My Ring Around Your Neck“ (Platz 2), dann die einzige US-Single aus seinem letzten Film „Hard Headed Woman“ (Platz 1), gefolgt von „One Night“ mit der B-Seite „I Got Stung“, die sich mit Platz 4 und 8 in die Quere kamen. Als LPs gab es „Elvis‘ Golden Records“, bis heute eine seiner meistgekauften LPs/CDs. Im selben Jahr folgte noch der Soundtrack zu „King Creole“. Beide LPs blieben zusammen 65 Monate lang in den Charts.

09_8044-6372Der einfache Soldat Presley

Am 24. März wurde Elvis eingezogen, war ab sofort nur noch Soldat mit der Nummer 533 107 61. Als er am 22. September in Brooklyn ankam, um von dort aus mit dem Schiff nach Deutschland zu fahren, gab es eine der größten Pressekonferenzen aller Zeiten, und sogar die wurde mitgeschnitten und als kleine Schallplatte von RCA veröffentlicht – „Elvis Sails“.

Während Elvis in Deutschland seine 17 Monate als Soldat absolvierte, lief ab 1959 die Maschinerie des Managers weiter. Filme wurden wiederaufgeführt, weitere Singles veröffentlicht: „A Fool Such As I“ mit der B-Seite „I Need Your Love Tonight“ wurde dank Rang 2 und 4 sogar seine zweiterfolgreichste Single, gemessen an Chart-Positionen. Schließlich erschien 1959 noch die Nummer-Eins-Single „A Big Hunk O‘ Love“. Besser konnte das Rock’n’Roll-Jahrzehnt nicht zu Ende gehen. Während Elvis‘ Armeezeit wuchs auch die Bedeutung der Langspielplatte, die anfangs noch für viele Jugendliche zu teuer war. In diesem Jahr konnten die Fans viele Langspielplatten kaufen, auf denen sich bisher nicht auf LP befindliche Songs wiederfanden – „For LP Fans Only“ zum Beispiel. Ende der 1950er Jahre folgten noch zwei LPs: „A Date With Elvis“ und „Elvis‘ Gold Records Vol. 2“ mit dem herrlichen Untertitel „50.000.000 Elvis Fans Can’t Be Wrong“.

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Timeline: Elvis’ Stationen – und die dazu passenden Alben